Eigentlich ist die 15jährige Linda des Lebens müde. Paradox daher, dass sie durch zwei (oder sogar drei) Personen in ihrem Leben gehalten wird, die allesamt mit einer selbständigen Lebensführung zu kämpfen haben: Da ist einmal ihr Freund Kevin, dem die ganze Welt zuwider ist, der mit Klimawandel und menschlichem Makel hadert und in allem nur den direkten Weg ins unausweichliche Verderben sieht. Und dann gibt es da noch den (titelgebenden) 86jährigen Hubert, ein stets pflichtergebener, nun berenteter und verwitweter Bademeister, der in die Demenz geht - der seinen „Himmel“, sprich die Orientierung, sowie sein Langzeitgedächtnis und damit all die kostbaren Erinnerungen an seine geliebte Frau, seinen Beruf, ja sein Leben verliert und mit Traurigkeit und Ängsten kämpft.
Im Gegensatz zu der bei Hubert lebenden polnischen 24-Stunden-Pflegekraft Ewa (eine wahrhafte Seele von Mensch, die mit ganzem Herzen bei ihrer Aufgabe ist und doch auch immer wieder an sich
zweifelt) geht Linda, die sich zusätzlich 3x die Woche um Hubert kümmert, ganz intuitiv mit dem alten Herrn um, nimmt ihn ernst, fühlt sich in ihn ein, begleitet ihn auf seinem Weg. Während es zu
Hause für das Mädchen mit der alleinerziehenden eher Mutter schwer auszuhalten ist, lernt sie aus der gemeinsamen Zeit mit Hubert und Ewa, dass das Leben zwar seine Herausforderungen und auch
Enttäuschungen bereithält, es sich aber ebenso lohnt, jeden Tag (gemeinsam) neu anzugehen. Doch weiß sie auch, dass Huberts Tage gezählt sind, und auch Kevin scheint ihr in seinem inneren
Zerwürfnis mit der Welt immer mehr zu entgleiten…
Petra Pellini weiß wovon sie uns in ihrem Roman erzählt: Die examinierte Krankenschwester schildert ihre Geschichte mit den mitunter recht schnoddrigen, aber immer ehrlichen Worten ihrer
15jährigen Protagonistin und nimmt den schweren Themen Depression, Demenz und Trauer damit die allzu düsteren Färbungen. Eine gelungene Idee, da wir uns mit Linda so auf die wohl grundliegende
Frage konzentrieren dürfen: Was gibt unserem Leben die Richtung und – einen Sinn?
Ein feiner Roman, der Schönheit und Glanz nicht auf großer Bühne, sondern vielmehr ungeschminkt und im liebevollen alltäglichen Miteinander sieht. Ein Roman, der uns aber auch zeigt, dass eine offene Hand gleichsam ein Hilferuf wie ein Angebot zur Unterstützung sein kann.
Buchtitel: Der Bademeister ohne Himmel
Autorin: Petra Pellini
Verlag: Rowohlt
Preis: € 23,00
ISBN: 978-3-463-00068-8
Gelesen und empfohlen von: Patrick Lück
