Der Untertitel „Erwachsen werden am Ende der Geschichte“ heißt für uns Lesende: Klüger und empathischer werden durch die Geschichte von Lea Ypi. Die autobiografische Erzählung „Frei“ der heute 43-Jährigen über ihre Kindheit und Jugend macht uns klüger, weil wir eine Ganze Menge über den einstigen Sozialismus, die Tranformationsjahre und den Lotterieaufstand Albaniens im Jahr 1997 erfahren. Empathischer, weil uns die Geschichte des Landes als Familiengeschichte zugänglich gemacht wird. Auf diese Weise können wir gar nicht anders, als mitzufühlen und uns wahlweise von Ypis liebevoll-humorvollen Schilderungen berühren oder ihren blitzgescheiten Analysen bewegen zu lassen. Vor allem ihre Annäherungen an die Frage nach Freiheit wären an dieser Stelle mit einem Ausrufezeichen zu versehen, denn ja, sie betreffen auch uns und das Leben, das wir hierzulande führen!
Verblüffenderweise ist „Frei“ keine schwere Kost, die es im angestrebten Sommergefühl zu vermeiden gälte. Wenn überhaupt, ist „Frei“ ausgewogene Vollwertkost. Es ist alles dabei. Da Ypi aus dem echten (Familien-)Leben erzählt, wird geschmunzelt, gelacht, geweint, sich gewundert oder gefürchtet. Vor allem aber wird: gewachsen. Nicht nur im Kontext der albanischen Geschichte fällt es mir schwer, mir eine wahrhaftigere und tiefsinnigere Lektüre als diese vorzustellen.
Buchtitel: Frei
Autorin: Lea Ypi
Verlag: Suhrkamp
Preis: € 14,00
ISBN: 978-3-518-47324-5
Gelesen und empfohlen von: Anke Johannsen